"Saerbeck bekennt Farbe": Was gesagt wurde

Veröffentlicht am: 14.03.2024

Dokumentation der Reden von Bürgermeister und Fraktionsvertretern bei der Kundgebung "Saerbeck bekennt Farbe"

Bei der Kundgebung „Saerbeck bekennt Farbe gegen Rassismus und Ausgrenzung“ am 10. März auf dem Dorfplatz sprachen unter anderem der Bürgermeister und Vertreter der vier Fraktionen im Gemeinderat. Rede und Erklärung werden hier dokumentiert:

Rede des Bürgermeisters

Rede von Bürgermeister Dr. Tobias Lehberg zur Kundgebung „Saerbeck bekennt Farbe – gegen Rassismus und Ausgrenzung“ am 10. März 2024 auf dem Saerbecker Dorfplatz

Liebe Saerbeckerinnen und Saerbecker,

von hier aus sehe ich, das, was Saerbeck ausmacht – bunte Vielfalt. Es ist beeindruckend, so viele Menschen hier auf dem Dorfplatz zu sehen. Das ist ein starkes Zeichen!

Ich lebe gerne in diesem Land und ich lebe sehr gerne in dieser Gemeinde, hier in Saerbeck. Das Zusammenleben in unserem Land – und ganz konkret das Zusammenleben in unserem Dorf – braucht Regeln. Das sind keine komplizierten Vorschriften, sondern ganz einfache Regeln. Und die wichtigste und einfachste Regel lautet: Anstand und Respekt zeigen gegenüber jedem Menschen. Wenn alle diese Regel einhalten, dann ist die Grundlage für gelingendes Zusammenleben gelegt.

Bürgermeister Dr. Tobias Lehberg bei seiner Rede während der Kundgebung "Saerbeck bekennt Farbe gegen Rassismus und Ausgrenzung" am 10. März 2024 auf dem Dorfplatz Wo beginnt das Brechen dieser Regel? Den Anfang machen immer Worte. Wenn fremdenfeindliche und rassistische Bemerkungen fallen – egal ob am Arbeitsplatz, im Verein oder unter Verwandten, Freunden oder Nachbarn – dann darf es nicht heißen: „Das hat der doch nur so gesagt.“ Oder: „Das hat sie sicherlich nicht so gemeint.“

Was – bitte schön – kann man bei Parolen wie „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ nicht so gemeint haben? Wer solche Parolen von sich gibt, der stellt sich auf die Seite derjenigen, die sich nicht an die Grundregeln unserer Gesellschaft halten. Diese Kräfte wollen ein anderes Deutschland und wollen auch ein anderes Saerbeck. Aber das lassen wir uns nicht gefallen!

Schauen wir in unsere Schulen, Kindergärten und die Kindertagespflegen, in unsere Unternehmen vom Handwerker bis zum Industriebetrieb, in die landwirtschaftlichen Betriebe, in unsere Geschäfte, in die Pflegeeinrichtungen, in die Arztpraxen, in unsere Gastronomie, in unsere Vereine, in die Kirchen und in die Nachbarschaften.

Was sehen wir dort?

Wir leben Vielfalt. Wir lieben Vielfalt. Und wir wollen Vielfalt.

Knapp 9 Prozent der Saerbecker Bevölkerung sind nicht deutscher Herkunft. Sie bereichern unser Leben. Sie sind gerne bei uns. Und wir leben gerne mit ihnen zusammen!

Wir sind heute hier, um eine Grenze zu ziehen, eine Brandmauer. Es gibt eine klare Grenze zwischen denen, die wollen, dass Saerbeck ein Ort ist, an dem alle Menschen in Frieden leben können. Und auf der anderen Seite stehen diejenigen, die meinen, der Wert eines Menschen unterscheide sich anhand der Hautfarbe, der Herkunft, des Aussehens, seines Alters, seiner Gesundheit oder seiner sexuellen Orientierung.

Das Kundgebungsplakat an der Wand der Alten Dorfschule mit Teilnehmenden auf dem Dorfplatz Das politische Kalkül einer solchen Ausgrenzung ist offensichtlich: Es wird ein Sündenbock gesucht. Die törichte Gleichung, die aufgemacht wird, lautet: Wenn die Ausländer weg sind, dann geht es uns besser. Die Ausländer werden zum Sündenbock gemacht. Wo ist da der Unterschied zum Nationalsozialismus, der die Juden zum Sündenbock gemacht hat? Auch dem nationalsozialistischen Regime haben Worte den Weg bereitet.

Eines muss uns allen klar sein: Wer heute Ausländer zum Sündenbock macht, der sucht morgen andere Bevölkerungsgruppen, denen er politische oder gesellschaftliche Probleme in die Schuhe schieben kann: Dann wird es heißen: „Pflegebedürfigte raus! Behinderte raus! Schwule raus!“ In der Logik dieser Rattenfänger müssten somit nur genügend Bevölkerungsgruppen beseitigt werden, damit die Probleme im Land gelöst werden. Ja, für wie blöd halten die uns eigentlich?

Liebe Saerbeckerinnen und Saerbecker,

ich danke Ihnen allen, die heute hier sind, dass Sie hier und jetzt Farbe bekennen gegen Rassismus und Ausgrenzung. Ich danke allen Vereinen und allen Beteiligten – und vor allem der Ökumenischen Flüchtlingshilfe als Veranstalter – dass sie diese Kundgebung möglich gemacht haben.

Gegen Rassismus und Ausgrenzung machen wir heute den Mund auf – und lassen Sie uns das gemeinsam tun. Hier und jetzt. Ich möchte es jetzt von allen hören, von allen die heute hier sind:

„Saerbeck ist bunt – wir halten nicht den Mund.“

Erklärung der Ratsfraktionen

Gemeinsame Erklärung der Fraktionen im Saerbecker Gemeinderat zur Kundgebung „Saerbeck bekennt Farbe – gegen Rassismus und Ausgrenzung“ am 10. März 2024, vorgetragen von Felix Wannigmann (SPD), Monika Schmidt (CDU), Joost Sträter (Grüne) und Mechthild Lüggert (UWG)

Liebe Saerbeckerinnen und Saerbecker,

wir als Vertreter des Gemeinderates setzen uns ein für ein buntes und vielfältiges Saerbeck. Das ist das gemeinsame Ziel unserer Arbeit – unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Unsere Aufgabe ist es, uns um unser Dorf und alle Menschen, die bei uns leben, zu kümmern. Dafür sind wir von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. In den Beratungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse vertreten wir häufig unterschiedliche Positionen und Meinungen. In fairen und sachlichen Diskussionen treffen wir demokratische Entscheidungen. So soll es aus unserer gemeinsamen Überzeugung auch in Zukunft bleiben.

Die Vertreter der vier Ratsfraktionen bei ihrer gemeinsamen Erklärung während der Kundgebung "Saerbeck bekennt Farbe gegen Rassismus und Ausgrenzung" am 10. März 2024 auf dem Dorfplatz Wir setzen uns in unserer kommunalpolitischen Arbeit dafür ein, dass die Geflüchteten mitten unter uns leben können und unterstützen damit ihre Integration. Wir danken den vielen Ehrenamtlichen in unserer Gemeinde, die den Geflüchteten helfen.

Saerbeck ist vielfältig und soll es bleiben. Niemand soll sich ausgegrenzt fühlen. Wir möchten, dass Saerbeck ein lebenswerter Ort ist und bleibt für alle Menschen. Egal, ob jung oder alt, gesund oder krank; egal, welcher Hautfarbe oder Herkunft; egal, welcher Religion; egal, welcher sexuellen Orientierung. Wir wollen, dass alle gemeinsam hier bei uns in Saerbeck leben, wohnen, arbeiten und feiern können.

Deshalb haben wir große Sorge, wenn auch in unserem Dorf radikale Stimmen immer lauter werden, die all das in Frage stellen. Denn denen geht es nicht darum, ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen zu ermöglichen. Stattdessen versuchen sie, auszugrenzen und Schwache gegen noch Schwächere auszuspielen. Sollten diese Stimmen mehr Einfluss bekommen, dann wäre es mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und freie Wahlen vorbei. Das wäre das Aus der Demokratie.

Als Mitglieder eines demokratisch gewählten Gremiums appellieren wir an Sie:  Gehen Sie wählen! Denn Nicht-Wählen ist keine Lösung, sondern stärkt nur die Gegner der Demokratie. Jede Stimme für eine demokratische Partei ist eine Stimme gegen Extremismus. 

Liebe Saerbeckerinnen und Saerbecker, mit Ihrer Anwesenheit setzen Sie heute ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung und für ein buntes Saerbeck. Vielen Dank für Ihr Kommen.